Wir möchten uns heute dem Thema Aphasie annähern. Annähern deswegen, weil wir nicht betroffen sind und von daher nur aus “zweiter Hand” berichten können. Dennoch, davon sind wir überzeugt, können wir versuchen uns in das Thema einzudenken. Wir möchten uns mitfühlend dem Leben der betroffenen Menschen widmen. Einen medizinischen Blick werden wir nur ganz klein und nur soweit wie unbedingt notwendig verwenden. Zur medizinischen Sicht gibt es viele und gute Informationen, die jeder Interessierte verhältnismäßig einfach bekommen kann. Uns bewegt der Mensch der von Aphasie betroffen ist, seine Familie, seine Freunde und sein Umfeld. Aphasien, also der umgangssprachliche Sprachverlust, entstehen durch Verletzungen des Gehirns. Als häufigste Ursache für eine Aphasie ist wohl der Schlaganfall zu erwähnen.
Ein von Aphasie betroffener Mensch
- kann sich sprachlich nicht oder nur schwer verständlich machen.
- hat eine Sprachstörung, das Denken und das erworbene Wissen sind nicht betroffen.
- ist nicht geistig behindert
- versteht Zusammenhänge
- kann die Realität wahrnehmen
- hat Gefühle wie jeder andere Mensch auch
Aphasien existieren in unterschiedlichen Ausprägungen. Das geht von Wortfindungsstörungen bis hin zum vollständigen Sprachverlust oder auch dem Verlust des Sprachverständnisses. Bei der durch Schlaganfall ausgelösten Aphasie ist meistens die linke Gehirnhälfte und die rechte Körperhälfte betroffen. Die linke Gehirnhälfte ist für die Sprache zuständig. Da die Sprache als solches nicht fertig in unserem Gehirn herumliegt, erklärt es auch, warum das alleinige üben von Wörtern und Sätzen zum Wiedererlangen der Sprache nichts bringt. Sprache entsteht dadurch was wir gerade erleben und was Gesprächspartner mit uns besprechen. Alles was um uns herum passiert, was uns interessiert und was wir registrieren, erzeugt Erinnerungen und Gefühle und produziert eben so auch Sprache.
So steht jetzt eine Person plötzlich neben den Schlaganfallsfolgen auch noch von Sprachlosigkeit geplagt im Leben. Alles ist mit einem Mal, ja, von einer zur anderen Sekunde anders. Wir haben uns in Vorbereitung auf diesen Beitrag oft überlegt, wie es in dieser oder jener Situation ohne Sprache wäre. Das ist sehr schwer vorstellbar gewesen. Hinzu kommt ja noch, dass das Sprechen ja die eine Sache ist, aber die gesprochenen Worte einer anderen Person richtig zu verstehen, eine ganz andere Geschichte ist. Dann wird es mit der Vorstellung schon sehr schwierig. Vielleicht kann man das so sehen, als ob jemand in einer unbekannten Fremdsprache mit uns spricht. Bei diesem Beispiel sind wir für unser Gedankenexperiment geblieben. Wenn die Person langsam mit uns spricht, können wir die einzelnen Worte besser verstehen oder vielleicht sogar nachsprechen. Den Sinn der Wörter können wir aber nur begreifen, wenn unser Gegenüber mit Mimik und Gestik mit uns kommuniziert. Helfend wären sicher auch Gegenstände, die das Gespräch begleiten oder auch Bilder. So könnten wir diese unverständlichen Worte mit uns bekannten Bildern und Erfahrungen verknüpfen und uns so manches merken. Auch unser Gegenüber könnte, wenn wir gleich agieren, unsere Worte verstehen. Was wir beide aber unbedingt brauchen ist der Faktor Zeit. Diese Gespräche brauchen Zeit und somit auch Geduld. Ebenso müssen sie von Interesse geprägt sein. Interesse, sich mit unserem Gegenüber auseinander zu setzen. Spaß am Gespräch eben. Eine Prise Humor öffnet sicherlich auch die Tür zu unserem Gegenüber.
Der Austausch ist es, was uns eventuell etwas näher zur Sprache bringt. Die Geduld und die Bereitschaft sich mit dem Gegenüber vorurteilsfrei zu unterhalten. Auch wenn die Wörter des Sprechenden nur schwer zu verstehen sind oder nicht erinnert werden können. Der Austausch, das Ringen um die Worte, die Bilder und die Emotionen sind es, die ein Gespräch ausmachen und die den Weg zurück zur Sprache, zu den Worten, ebnen.
In der nächste Woche wollen wir uns mit den handelnden Personen beschäftigen. Der von Aphasie Betroffene, dem Partner und andere Personen aus dem Umfeld des Betroffenen. Alle Personen haben ihre eigene Sicht und ihre eigenen Schwierigkeiten. Wie gehen wir miteinander um? Was für Erwartungen haben die Personen? Welche Lösungen kann es geben?