Aphasie macht sprachlos [1]

Wir möch­ten uns heu­te dem The­ma Apha­sie annä­hern. Annä­hern des­we­gen, weil wir nicht betrof­fen sind und von daher nur aus “zwei­ter Hand” berich­ten kön­nen. Den­noch, davon sind wir über­zeugt, kön­nen wir ver­su­chen uns in das The­ma ein­zu­den­ken. Wir möch­ten uns mit­füh­lend dem Leben der betrof­fe­nen Men­schen wid­men. Einen medi­zi­ni­schen Blick wer­den wir nur ganz klein und nur soweit wie unbe­dingt not­wen­dig ver­wen­den. Zur medi­zi­ni­schen Sicht gibt es vie­le und gute Infor­ma­tio­nen, die jeder Inter­es­sier­te ver­hält­nis­mä­ßig ein­fach bekom­men kann. Uns bewegt der Mensch der von Apha­sie betrof­fen ist, sei­ne Fami­lie, sei­ne Freun­de und sein Umfeld. Apha­si­en, also der umgangs­sprach­li­che Sprach­ver­lust, ent­ste­hen durch Ver­let­zun­gen des Gehirns. Als häu­figs­te Ursa­che für eine Apha­sie ist wohl der Schlag­an­fall zu erwähnen.

Ein von Aphasie betroffener Mensch

  • kann sich sprach­lich nicht oder nur schwer ver­ständ­lich machen.
  • hat eine Sprach­stö­rung, das Den­ken und das erwor­be­ne Wis­sen sind nicht betroffen.
  • ist nicht geis­tig behindert
  • ver­steht Zusammenhänge
  • kann die Rea­li­tät wahrnehmen
  • hat Gefüh­le wie jeder ande­re Mensch auch

Apha­si­en exis­tie­ren in unter­schied­li­chen Aus­prä­gun­gen. Das geht von Wort­fin­dungs­stö­run­gen bis hin zum voll­stän­di­gen Sprach­ver­lust oder auch dem Ver­lust des Sprach­ver­ständ­nis­ses. Bei der durch Schlag­an­fall aus­ge­lös­ten Apha­sie ist meis­tens die lin­ke Gehirn­hälf­te und die rech­te Kör­per­hälf­te betrof­fen. Die lin­ke Gehirn­hälf­te ist für die Spra­che zustän­dig. Da die Spra­che als sol­ches nicht fer­tig in unse­rem Gehirn her­um­liegt, erklärt es auch, war­um das allei­ni­ge üben von Wör­tern und Sät­zen zum Wie­der­erlan­gen der Spra­che nichts bringt. Spra­che ent­steht dadurch was wir gera­de erle­ben und was Gesprächs­part­ner mit uns bespre­chen. Alles was um uns her­um pas­siert, was uns inter­es­siert und was wir regis­trie­ren, erzeugt Erin­ne­run­gen und Gefüh­le und pro­du­ziert eben so auch Sprache.

So steht jetzt eine Per­son plötz­lich neben den Schlag­an­falls­fol­gen auch noch von Sprach­lo­sig­keit geplagt im Leben. Alles ist mit einem Mal, ja, von einer zur ande­ren Sekun­de anders. Wir haben uns in Vor­be­rei­tung auf die­sen Bei­trag oft über­legt, wie es in die­ser oder jener Situa­ti­on ohne Spra­che wäre. Das ist sehr schwer vor­stell­bar gewe­sen. Hin­zu kommt ja noch, dass das Spre­chen ja die eine Sache ist, aber die gespro­che­nen Wor­te einer ande­ren Per­son rich­tig zu ver­ste­hen, eine ganz ande­re Geschich­te ist. Dann wird es mit der Vor­stel­lung schon sehr schwie­rig. Viel­leicht kann man das so sehen, als ob jemand in einer unbe­kann­ten Fremd­spra­che mit uns spricht. Bei die­sem Bei­spiel sind wir für unser Gedan­ken­ex­pe­ri­ment geblie­ben. Wenn die Per­son lang­sam mit uns spricht, kön­nen wir die ein­zel­nen Wor­te bes­ser ver­ste­hen oder viel­leicht sogar nach­spre­chen. Den Sinn der Wör­ter kön­nen wir aber nur begrei­fen, wenn unser Gegen­über mit Mimik und Ges­tik mit uns kom­mu­ni­ziert. Hel­fend wären sicher auch Gegen­stän­de, die das Gespräch beglei­ten oder auch Bil­der. So könn­ten wir die­se unver­ständ­li­chen Wor­te mit uns bekann­ten Bil­dern und Erfah­run­gen ver­knüp­fen und uns so man­ches mer­ken. Auch unser Gegen­über könn­te, wenn wir gleich agie­ren, unse­re Wor­te ver­ste­hen. Was wir bei­de aber unbe­dingt brau­chen ist der Fak­tor Zeit. Die­se Gesprä­che brau­chen Zeit und somit auch Geduld. Eben­so müs­sen sie von Inter­es­se geprägt sein. Inter­es­se, sich mit unse­rem Gegen­über aus­ein­an­der zu set­zen. Spaß am Gespräch eben. Eine Pri­se Humor öff­net sicher­lich auch die Tür zu unse­rem Gegenüber. 

Der Aus­tausch ist es, was uns even­tu­ell etwas näher zur Spra­che bringt. Die Geduld und die Bereit­schaft sich mit dem Gegen­über vor­ur­teils­frei zu unter­hal­ten. Auch wenn die Wör­ter des Spre­chen­den nur schwer zu ver­ste­hen sind oder nicht erin­nert wer­den kön­nen. Der Aus­tausch, das Rin­gen um die Wor­te, die Bil­der und die Emo­tio­nen sind es, die ein Gespräch aus­ma­chen und die den Weg zurück zur Spra­che, zu den Wor­ten, ebnen. 

In der nächs­te Woche wol­len wir uns mit den han­deln­den Per­so­nen beschäf­ti­gen. Der von Apha­sie Betrof­fe­ne, dem Part­ner und ande­re Per­so­nen aus dem Umfeld des Betrof­fe­nen. Alle Per­so­nen haben ihre eige­ne Sicht und ihre eige­nen Schwie­rig­kei­ten. Wie gehen wir mit­ein­an­der um? Was für Erwar­tun­gen haben die Per­so­nen? Wel­che Lösun­gen kann es geben?